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03.07.2017, Bärbel Pflugbeil
Sabine Sauer und Claudia Thieme sitzen in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit. Sabine arbeitet seit zwei Jahren bei superfuncompany als Mitarbeiterin im Kundenservice, ihre Freundin Claudia ist seit fünf Jahren Disponentin im Einkauf. Vor zwei Wochen hat Sabine Claudia erzählt, dass sie sich im Rahmen des internen Mitarbeiterentwicklungs-programms nun endgültig für eine Weiterbildung entscheiden muss. Claudia hakt nach: „Was willst du denn nun heute HR sagen, für welche Fortbildung du dich dieses Jahr entschieden hast?“
Alle Mitarbeiter müssen sich jedes Jahr weiterbilden und aus dem festgelegten Curriculum zwei Kurse aus dem Bereich fachliche Weiterentwicklung und einen Kurs aus dem Bereich Soft Skills belegen. Wenn sie die Kurse nicht belegt, kann es sein, dass ihr Bonus teilweise gestrichen wird, weil sie damit ihre Zielvereinbarungen nicht erfüllt hat. Heute muss Sabine der Personalabteilung sagen, wofür sie sich entschieden hat.
„Das ist echt schwer!“ stöhnt Sabine. „Ich habe das jetzt die ganze Zeit vor mir her geschoben, weil da nichts so richtig gut passt. Im Soft Skill-Bereich habe ich letztes Jahr ‚Konflikte konstruktiv lösen‘ gemacht. Das war auch wirklich super und hat mir geholfen mit den Kunden besser umzugehen. Und auch endlich mal mit Michael eine Lösung zu finden, was unsere Zusammenarbeit im Team angeht. Aber ‚Das Mitarbeitergespräch für mich nutzen‘, ‚Das Beste aus Rhetorik und Storytelling‘ oder ‚Eigenmotivation erkennen und Leistungsblockaden abbauen‘ bringen mich einfach gerade nicht weiter.“ Claudia musste schmunzeln, während Sabine weitererzählte: „Im fachlichen Bereich sieht es irgendwie auch nicht besser aus. Eigentlich bräuchte ich mal eine Schulung in diesem ganzen Agilitäts-Kram, weil man ja den Eindruck hat, wir würden hier demnächst alle nur noch agil arbeiten. Und ganz ehrlich, davon habe ich keine Ahnung und ich weiß auch nicht, wofür das gut sein soll.“
Claudia war erstaunt: „Wenn du das lernen willst, dann habe ich dazu gleich eine Idee. Ein Freund von mir hat in seiner Firma vor Kurzem einen Workshop zu dem Thema besucht. Der war total begeistert. Was hältst du davon, wenn wir den Workshop auch mal hier machen. Da können wir dann noch ein paar mehr Kollegen dazu holen. Das kostet zwar Geld, bringt uns aber für die Zusammenarbeit in der Zukunft richtig was.“
Sabine war ganz angetan: „Super, das ist wirklich eine gute Idee! Löst aber mein Problem mit dem HR-Termin nicht. Ich muss mich jetzt trotzdem für drei Kurse entscheiden. Naja. Ist vielleicht auch gar nicht so wichtig. Dann würfel‘ ich halt und nehme, was dabei raus kommt. Oder ich nehme die, die an der Ostsee sind.“
Personalentwicklung wird im Zuge schneller werdender Innovationszyklen immer wichtiger. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen sich weiterbilden und ihr Wissen dem aktuellen Stand anpassen. Dabei geht es einerseits um übergeordnete strategische Themen und andererseits um fachliche Kompetenzen. Und es stellt sich die Frage, inwieweit Personalentwicklung für einzelne Mitarbeiter eigentlich noch zeitgemäß ist? Braucht es nicht heutzutage mehr Fokus auf Teamarbeit und damit die Entwicklung von Teams anstatt der Optimierung Einzelner? Und was bräuchte es neben der Vermittlung von Wissen, damit sich Potenziale entfalten und Problemlöser zeigen können?
Freiräume schaffen
Um Entwicklung zu ermöglichen braucht es Freiräume, damit sich Wissen und Können, das im Unternehmen bereits vorhanden ist, ungehindert ausbreiten kann. Ein Beispiel findet sich in unternehmensinternen Foren oder Communities of Practice (CoP), wo Mitarbeiter zu „ihren“ Themen Wissen teilen und so ihren Kollegen die Gelegenheit geben zu lernen. In jedem Unternehmen steckt jede Menge brachliegendes Know-how, das so genutzt und multipliziert werden kann. Natürlich sollte die Teilnahme daran freiwillig sein, weil die intrinsische Motivation nun mal der größte Treiber ist. Themen können von „Effizientes Arbeiten mit dem CRM-System“ und „Top-Ten unbekannte Excel-Funktionen, die ihr Leben verändern werden“ bis hin zu „Was ist eigentlich SEO und wie funktioniert das?“ reichen. Einfach mal ein Thema anbieten und gucken, ob jemand kommt. Am Ende bestimmt sowieso immer die Nachfrage das Angebot.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass von der Management-Ebene her deutlich wird, dass dieser Austausch unbedingt gewünscht und gefördert ist. Damit deutlich wird, dass die Teilnahme an solchen Veranstaltungen kein „Müßiggang“ oder „Drücken vor der Arbeit“ ist, sondern Ausdruck von Interesse an neuen Themen und Fortbildung. Mal im engeren, mal im weiteren Sinne.
Solche Foren oder COPs sind immer auch ein wichtiger Beitrag zu einer lebendigen Unternehmenskultur: Die Kollegen begegnen sich, tauschen sich aus und es wird (wieder) kommuniziert. Und damit tragen solche Plattformen nicht nur zur Interaktion im Kollegenkreis bei, sondern sind auch Treiber von Ideen und möglichen Innovationen. In hoher Dynamik braucht es Könner, die mutig sind und Probleme lösen wollen. Könnerschaft braucht also Freiräume – und die werden hier geschaffen.
Entscheidungen im Team
Die Entscheidung darüber, welche Weiterbildung für einzelne Mitarbeiter bedarfsgerecht ist, kann nicht nur von der Führungskraft, sondern in vielen Fällen genauso gut vom Team beurteilt werden. Warum also nicht mal die eigenen Kollegen, mit denen man täglich Seite an Seite arbeitet, fragen, an welchen Punkten man ganz individuell „arbeiten“ sollte? Denn wissen die Kollegen zu vielen Themen nicht am besten, wo es hakt? Und das, wohlgemerkt, betrifft nicht nur team-interne Prozesse oder die Kommunikation untereinander, sondern auch die Leistungserbringung in Richtung Kunde bzw. Markt. Teams, die im direkten Kundenkontakt stehen, bekommen tagtäglich Rückmeldungen, die im Team besprochen werden können und die wertvolle Hinweise für Optimierungsbedarf liefern. Das Team als Ganzes kann dann entscheiden, woran man gemeinsam und woran manche noch individuell arbeiten könnten. Unter den richtigen Rahmenbedingungen kann sich ein Team in dieser Hinsicht sehr gut selbst organisieren und führen.
Gespräche mit der Führungskraft
Mitarbeitergespräche als formalisierter Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter stehen zu Recht in der Kritik. Viel zu oft finden diese Gespräche nicht auf Augenhöhe statt, sondern sind Einbahnstraßen-Kommunikation, häufig einem standardisierten, wenig individuellen Gesprächsleitfaden folgend. Und da diese Gespräche naturgemäß in einem Kontext der Leistungsbewertung und Zielvereinbarung stattfinden, ist es kaum verwunderlich, dass sie von allen Beteiligten, also Führungskraft und Mitarbeiter, als wenig produktiv und eher lästige Pflichterfüllung empfunden werden. Man redet, weil man muss, aber nicht, weil man will.
Dabei ist Kommunikation doch etwas Wunderbares, wenn sie den Bedürfnissen der Beteiligten und einer Dringlichkeit folgt. Warum also nicht die Bedingungen schaffen, dass man sich auch abseits der Regeltermine kurzfristig und bedarfsorientiert zusammenfinden kann? Aus dem agilen Kontext kennt man Reviews und Retrospektiven, also Formate, die die Möglichkeit bieten auf bestimmte Zeitabschnitte zurückzublicken und gemeinsam zu bewerten, was gut lief und was man in Zukunft anders bzw. besser machen will. Und selbstverständlich kann eine erfahrene und fachlich versierte Führungskraft einem Mitarbeiter wertvolle Impulse geben für die Entwicklung – sowohl fachlich als auch in den Soft Skills. Finden diese Gespräche im richtigen Kontext statt (positiv, wertschätzend und entwicklungsorientiert) und nimmt eine Führungskraft anstatt der Rolle des „Vorgesetzten“ eher die Rolle eines Mentors ein, dann sind solche Gespräche ein wichtiger Beitrag zur Personalentwicklung.
Den Kunden fragen
Der Bedarf für Personalentwicklung ist in der Regel eine interne Referenz, also das Ergebnis von interner Leistungsbeurteilung durch den direkten Vorgesetzten (siehe oben). Der Maßstab dafür sind intern gesetzte oder gemeinsam vereinbarten Ziele. Dabei gibt es noch eine andere, für das Unternehmen viel relevantere Instanz: den Kunden. Oder, wenn eine interne Leistung erbracht wird, der Abnehmer der erbrachten Leistung auf der anderen Seite der Schnittstelle. Warum also nicht einfach mal den Kunden (oder internen Leistungsabnehmer) fragen, was aus deren Sicht optimiert, also „entwickelt“ werden könnte. Bin ich als Service-Mitarbeiter technologisch auf dem neuesten Stand? Habe ich Ahnung, wovon der Kunde redet und was er von mir will? Frag den Kunden! Der wird es wissen. Wahrscheinlich hat er sich seine Meinung sowieso schon gebildet… Oder auch: Welche Software sollte ich beherrschen? Welche Produktinnovationen muss ich kennen? Auf der „anderen Seite“ der Leistungserbringung weiß der Geschäftspartner oder Kollege oftmals sehr genau, was an Fähigkeiten und Fertigkeiten fehlt. Was man morgen braucht oder was – schlimmer – eigentlich schon seit vorgestern hätte gewusst und gekonnt werden müssen.
Den Kunden danach zu fragen liefert nicht nur wertvolle Hinweise für Entwicklungspotenzial für einzelne Mitarbeiter und Teams. Es ist auch eine besondere Form der Beziehungsgestaltung mit dem Kunden, weil es ihm vermittelt, dass man a) seine Meinung wertschätzt und b) kontinuierlich daran arbeitet, die bestmöglichen Produkte oder eine möglichst optimale Dienstleistung anzubieten. Sein „Gegenüber“ explizit nach Feedback zu fragen, ist eine besondere Form der Wertschätzung und Ausdruck von Vertrauen und „Anpassungsbereitschaft“. Und was im Privaten gut und richtig ist für Beziehungsgestaltung, kann im geschäftlichen, marktorientierten Kontext sicher nicht verkehrt sein.
Der Mix macht’s
Neben einem festen Fortbildungsprogramm, das in vielen Unternehmen bereits existiert, sollte es natürlich immer die Möglichkeit geben, flexibel und bedarfsorientiert zusätzliche am Markt verfügbare Weiterbildungsangebote einzukaufen. Denn während der „Fortbildungskatalog“ das planbare und regelmäßig stattfindende Programmportfolio widerspiegelt, gibt es in den Fachbereichen spezielle Bedarfe an externem Wissen, die von einer HR oder Personalentwicklung nicht geplant werden können. Hier sollten Führungskräfte und Mitarbeiter, wenn möglich, direkt und unbürokratisch handeln dürfen, da sie selbst am besten wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Wenn Kompetenz das richtige Mischverhältnis von Wissen und Können ist, dann braucht eine „kompetente Organisation“ neben der reinen Wissensvermittlung im Rahmen von Schulungsangeboten auch das Herausbilden von Könnerschaft. Könnerschaft braucht Freiräume. Nur wenn sich Potenziale frei und ungehindert entwickeln können, entwickeln sich Menschen. Und das heißt mehr Potenzialentfaltung und weniger hierarchisch gesteuerte Personalentwicklung.
Unser Meetup ORGANEO Antipattern Night gibt in regelmäßigen Abständen die Gelegenheit Themen wie Personalentwicklung und viele andere weiter gemeinsam zu thematisieren. Dazu laden wir dich herzlich ein!
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