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08.06.2015, Winald Kasch
Die Bertelsmann Stiftung hat ein Barcamp zum Thema Arbeiten 4.0 organisiert. Letzte Woche in Berlin. Ich war da und mich hat einiges überrascht. Im Vorfeld gab es bei mir die Frage, wie das wohl zusammen passt. Eine Stiftung, das Thema Arbeiten 4.0 und ein Barcamp. Arbeiten 4.0 und ein Barcamp sind für mich von hoher Dynamik geprägt. Die Bertelsmann Stiftung hatte ich als Teil des Bertelsmann Konzern unter einer anderen Rubrik abgelegt. Also am 03.06. morgens auf den Weg von Hamburg nach Berlin Unter den Linden gemacht.
Kurz nach neun stand ich vor dem eindrucksvollen Gebäude der Bertelsmann Stiftung in Berlin. Am Eingang wurde ich, wie sicher alle anderen der ca. 140 Teilnehmer auch, freundlich empfangen, identifiziert und mit meiner Badge versehen. Schnell rein in den Saal, dort lief schon die Begrüßung. Vorne Bühne, dann Stuhlreihen, hinten ein paar Stehtische und die Technik. Zum Start gab es den Hinweis auf die Optionen zum Duzen und Siezen und dann eine, in Anbetracht von 140 Personen, sehr zügige und kurzweilige Vorstellung. Das Mikro war der Redestab. Name, Organisation, Twitteraccount, 3 Hashtags waren die gewünschten Infos. Hängengeblieben sind bei mir HSVvsSTPAULIvsSCHALKE04, Anzug auf Barcamp ja/nein und alle möglichen Buzzwords 4.0. Danach bildete sich schnell eine Reihe derjenigen, die eine Session anbieten wollten. Kurze Vorstellung der eigenen Session/Fragestellung auf Bühne, Feedback aus dem Publikum, dann die Karte ans Sessionboard. Zack, ging auch zügig bis die 35 Slots voll waren. Mein Grinsen des Tages erhielt der Vorschlag der beiden Berater von Cap Gemini zum Thema Chef 4.0: Eigene Studienergebnisse sowie Erkenntnisse für Führungskräfte, wie sie den Wandel zu Dynamik/Digitalisierung/… besser mit gestalten können. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Ich komme später noch mal darauf zurück. Dann kam eine Keynote, zum Glück mit @wilddueck. Herr Dueck hat viele über sich selbst zum Lachen gebracht. Aber ich bin trotzdem kein Fan von Keynotes. Dann ging es los mit den Sessions. Im gesamten Gebäude waren ausreichend Räume, so dass jede Session einen eigenen Raum mit etwas Technik und Stiften/Papier hatte. Zusätzlich hatte jede Session einen eigenen Protokollanten. Yep, alle Sessioninhalte wurden mitgeschrieben, um später daraus etwas publizieren zu können. Das sind dann die Gene eines Medienkonzerns. Ich fand es sehr kurzweilig herauszufinden, was dieses Arbeiten 4.0 eigentlich ist. Da gab es die Fraktion, die Arbeiten 4.0 im gleichen Satz mit Industrie 4.0 benutzt. Dann gab es die, die Arbeiten 4.0 im gleichen Satz mit Digitalisierung benutzen. Dann die, die sagen Arbeiten 4.0 braucht auch Lernen 4.0. Dann die, die sagen Arbeiten 4.0 braucht Chefs 4.0. Und Seniorenarbeit 4.0 und Recruiting 4.0 und … Am Ende des Tages ist mein Fazit: Arbeiten 4.0 findet überall dort statt, wo unser gelerntes Organisation- und Führungsverhalten nicht mehr funktioniert und sich überraschende Fragen stellen. Wir haben gelernt, dass Business planbar und vorhersehbar ist, dass es Ausnahmen gibt, die die Regel bestätigen. Das wenige richtig schlau und die meisten eher durchschnittlich intelligent sind. Das man Status im Organigramm ablesen kann und das die meisten Menschen von Führungskräften geführt werden müssen. Daraus sind Konzepte wie Top-Down, Linienkommunikation, Reporting, Organigramme und arbeitsteiliges Verhalten in Organisation entstanden. Dort, wo diese Konzepte ständig Probleme erzeugen, brauchen wir anderes Arbeiten bzw. gute Fragen. Und zwar nicht im Sinne von Optimierungen des bestehenden. Führung? Gerne. Führungskräfte? Wieso? Organisation? Ja. Hierarchisch? Wofür ist das gut? Gute Bezahlung? Sicher. Weil man im Organigramm weiter oben steht? Nö. Transparenz? Auf jeden Fall, immer. Einzelleistung? Gibt’s nicht. Teamleistung? Ausschliesslich. Der letzte Hinweis, dass das nicht einfach ist, ist die immer wiederkehrende Verteidigung des Status-Qou. Achtet einmal darauf: Sobald das Thema irgendwo dahin geht, das man von oben genannten Konzepten Abstand nehmen sollte und in neuen, radikaleren Modellen denken könnte, gibt es immer Menschen, die sofort gegen Basisdemokratie sind, die darauf verweisen, dass es immer Menschen gibt, die geführt werden wollen und dass das alles nur an den mangelnden Skills der Manager liegt. Ggf. fällt noch eine Bemerkung zu Sozialromantik. Achja, ich wollte ja noch was zu der Session von Cap Gemini sagen. Es waren ca. 40 Leute anwesend und an der Wand hing ein Riesenchart, anhand dessen erklärt wurde, wie Führungskräfte zu Chefs 4.0 werden und den digitalen Wandel erfolgreich unterstützen. Nachdem innerhalb der ersten Minuten Cap Gemini öfter mal darauf hinwies, dass Unternehmen zukünftig keinen Chief Information Officer sondern einen Chief Digital Officer oder Vergleichbares brauchen, um aus den Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreicher als andere zu sein, regte sich das Publikum (auf) und wies darauf hin, dass genau diese Denkweise das eigentlich Problem sei. Es ginge nicht darum, eine Organisation in ihrem Denkmodell zu optimieren (CDO statt CIO statt CXO). Sondern darum, zu erkennen, dass es neue und zeitgemäße Denkweisen zu Organisation braucht. Wenn Industrie 4.0 zu einem weitaus höheren Automatisierungsgrad führt, wenn Digitalisierung zu immer mehr Überraschungen im Erfolg von Geschäftsmodellen führt und wenn die nicht-zu-automatisierende, also komplexe Arbeit für Menschen übrig bleibt, dann kommen wir mit den bestehenden Organisations- und Führungskonzepten nicht sehr weit. Danke an Ole, Birgit, Nicola, das gesamte „Arbeiten 4.0 Barcamp Team“ der Bertelsmann Stiftung und an alle, die sich irgendwie eingebracht und beteiligt haben! Ich würde euch immer weiter empfehlen. Ihr habt da eine gute Mischung von Menschen und Stimmungen zusammengebracht. PS Mittlerweile gibt es eine Doku der Bertelsmann Stiftung zum Barcamp: http://de.slideshare.net/BertelsmannStiftung/arbeiten-40-wie-werden-wir-in-zukunft-arbeiten
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