Was sind Organisations-Anti-Pattern?
05.07.2019, Winald Kasch
Wir beschäftigen uns gerne mit Pattern und Anti-Pattern in Organisationen. Dabei geht es um die Eignung bzw. Nicht-Eignung von Organisationswerkzeugen. Grund genug sich in einem kurzen Beitrag mit dem Begriff Anti-Pattern und seinem Ursprung auseinanderzusetzen. Nach einer kurzen Herleitung und Begriffsdefinition wollen wir erklären, warum wir uns für Anti-Pattern interessieren und warum sie für unsere Arbeit als Berater und Organisationsentwickler relevant sind. Zu guter Letzt geben wir einige Beispiele für Anti-Pattern, die wir z.B. in unserem Podcast besprechen.
Woher stammen die Begriffe Pattern und Anti-Pattern?
Pattern und Anti-Pattern (englisch für Muster und Anti-Muster) sind Ansätze, die unter dem Begriff "design pattern“ ihren Ursprung in der Architektur hatten und dann in der IT weiter entwickelt wurden. 1994 hat der in Wien geborene US-Amerikaner Christoph Alexander, ein Architektur-/Systemtheoretiker und Philosoph, ein Buch unter gleichnamigen Titel veröffentlicht und darin unterschiedlich komplexe Architekturaspekte und -strukturen logisch zusammengeführt. Alexander hat komplexe Strukturen in Muster (patterns) unterteilt und verknüpft. Dieser Ansatz wurde später von verschiedenen Informatikern aufgegriffen und auf die Softwarearchitektur und -entwicklung übertragen. Design Pattern sind also bewährte Lösungsschablonen für wiederkehrende Entwurfsprobleme sowohl in der Architektur als auch in der Softwarearchitektur und -entwicklung.
Uns ist der Begriff, aus der IT kommend, zum ersten Mal im Jahre 2016 bewusst begegnet. Nachdem wir verstanden hatten, worum es sich bei Pattern und Anti-Pattern handelt, haben wir schnell gemerkt, dass die Unterscheidung von Pattern und Anti-Pattern sehr gut auf Organisationen übertragbar ist. Pattern dienen als Erklärungsmodell für viele Phänomene, die uns in Organisation (jeder Art, jeder Größe) immer wieder begegnen. (Anti-)Pattern sind wirkstarke Denkmodelle, derer sich viele Akteure kaum oder gar nicht bewusst sind und die dementsprechend auch nicht kritisch hinterfragt werden.
Wie verwenden wir die Begriffe Pattern und Anti-Pattern im Kontext von Organisationen?
Als Pattern bezeichnen wir gute und bewährte Problemlösungsansätze, also die Verknüpfung einer wiederkehrenden Problemsituation mit dem dazugehörenden Lösungsvorschlag. Als Anti-Pattern bezeichnen wir Lösungsansätze oder Lösungsschablonen, die ungünstig oder schädlich für das Lösen des eigentlichen Problems sind.
Lösungsschablonen für regelmäßig wiederkehrende Probleme oder Anforderungen, die funktionieren, sind eine gute Sache. Warum soll man auch das Rad immer wieder neu erfinden, wenn etwas funktioniert? Darin steckt eine Effizienz und damit Wirtschaftlichkeit.
Spannender wird die Angelegenheit, wenn man fragt: Wann werden Pattern zu Anti-Pattern? Wann lösen die Problemlösungsschablonen nicht mehr die Probleme, für die sie eigentlich mal geschaffen worden sind?
- Wie kann ich als Verantwortlicher eines Unternehmens erkennen, dass mein Pattern in Wahrheit ein Anti-Pattern ist (oder dazu geworden ist)?
- Was genau sind die Kollateralschäden meines (Anti-)Patterns?
- Was sind alternative Problemlösungsansätze?
- Und zu guter Letzt: Warum halten Organisationen und die handelnden Personen an (Anti-)Pattern fest, selbst wenn sie erkannt haben (sollten), dass sie die Probleme a) nicht lösen, b) verschlimmbessern, und c) Probleme an anderen Stellen hervorrufen, die entweder gar nicht im Blickfeld sind oder gar bewusst in Kauf gekommen werden.
Was ist ein Beispiel für ein Anti-Pattern?
Für den Einstieg ein eher einfaches, wenn auch nicht triviales, Beispiel für ein Anti-Pattern, so wie wir es verstehen, ist das Abteilungs-Regelmeeting, der sogenannte "Jour Fixe." Wir kennen die ritualisierten Abläufe: Die Bereichsleitung startet mit der Agenda oder Tagesordnung, präsentiert Zahlen-Daten-Fakten, dann werden diverse Status-Updates präsentiert, dann müssen noch zwei wichtige Entscheidungen getroffen werden. Darauf folgt eine Aussprache zu bestimmten aktuellen Themen und dann geht man mit der üblichen Überlänge auseinander, im Zweifel mit Verpätung direkt ins nächste Meeting.
Fragen, die sich hier stellen, sind:
- Ist das Meeting, so wie es abläuft, wirklich der beste und effizienteste Weg, um das zu tun, was dort getan wird? Man könnte auch fragen: Löst das Meeting die Probleme, deretwegen man wöchentlich zusammen kommt?
- Merken die Teilnehmer, dass die Meetings unproduktiv sind? Wenn ja, sagt jemand was dagegen? Und was tun man was? Wenn nein, wieso geht man da jede Woche wieder stumpf hin und "erträgt es"?
- Was ist daran für die Teilnehmer "trotzdem" funktional?
Zum Abschluss hier stichwortartig einige Anti-Pattern, mit denen wir uns im
Podcast und anderswo auseinandersetzen wollen. Zum Beispiel und in keiner bestimmten Reihenfolge:
- Führungsarbeit
- Unternehmenskultur(arbeit)
- Rekrutierung
- Augenhöhe
- Employer Branding
- Mitarbeiterbefragung
- Personalentwicklung
- Open Door Policy
- Raumgestaltung
- uvm.
An dieser Stelle sei der kleine Disclaimer erlaubt: Komplexe Sachverhalte (und damit auch die meisten Anti-Pattern) sind per se nicht binär, nicht Null oder Eins, nicht schwarz oder weiß. Das bedeutet, dass wir in der Auseinandersetzung mit Anti-Pattern dekonstruieren und degeneralisieren müssen, um zu verstehen. Also von der allgemeinen Behauptung hin zum konkreten Einzelfall kommen.
Enjoy the change!
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