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Antipattern: Feelgood Management

06.11.2017, Winald Kasch

Es war wieder Oktober und das Management der superfuncompany machte sich auf den Weg an die Ostsee zur alljährlichen Strategietagung. Schon seit Jahren fuhr man dafür in das schön gelegene Landhaus „Meeresblick“, wo man weit entfernt vom Tagesgeschäft nicht nur gut arbeiten konnte, sondern im schönen Ambiente auch ein wenig die Seele baumeln lassen konnte. Dachte man zumindest. Meist kam es dann doch ein bisschen anders.

Obwohl der Begriff „Strategietagung“ dem Ganzen etwas Bedeutungsvolles verlieh (was sicher nicht ganz ohne Absicht war), war es am Ende die ganz normale Management-Runde mit dem Geschäftsführer Bernd Heißschuss, seiner Assistentin Frida Fröhlich sowie alle Bereichsleiter. Nur eben an einem anderen Ort. Mit Blick aufs Meer, Wellnessbereich und einem exzellenten Restaurant mit einer sehr guten Weinselektion. Neben den alljährlichen Themen wie Strategie, Portfolioplanung, Berichten der Bereichsleiter und diversen Personalfragen hatte man auch dieses Jahr wieder die feste Absicht sich mal in Ruhe auszutauschen und ein paar Probleme offen anzusprechen. Wenn nicht hier, wann und wo dann?

Und Themen gab es genug. Seit der Hot Air Messe in Las Vegas war die Stimmung irgendwie im Keller. Die unerwartete Konkurrenz aus China setzte dem ganzen Unternehmen zu, das war in vielen Bereichen spürbar. Speziell das Produktmanagement und der Vertrieb standen massiv unter Druck, besser spät als nie Antworten auf die chinesische Innovationsoffensive zu finden. Nur leider war von Anpacken und Loslegen und Machen und Tun wenig zu sehen oder zu spüren. Im Gegenteil.

Was den Geschäftsführer Bernd Heißschuss massiv störte, war, dass, egal mit wem er redete, egal wohin er hörte, die Themen immer gleich waren: Unzufriedenheit, Meckerei, Schuldzuweisungen. Führungskräfte beklagen sich über fehlende Motivation und Eigenverantwortung bei den Mitarbeitern, Mitarbeiter beschweren sich über Führungskräfte, die Druck aufbauen und alles kontrollieren anstatt Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Gefühlt war alles Käse, alles Mist.

„Wie konnte das sein?“, fragte er sich. Die superfuncompany zahlte im Branchenvergleich gute Gehälter, man hatte gerade erst Gleitzeit eingeführt, es gab ein umfangreiches Weiterbildungsangebot, die kostenlose Mitgliedschaft im Fitness-Center gleich um die Ecke, dazu die Sommerparty und die große Firmen-Weihnachtsfeier: „Was brauchte es denn noch alles?“

Im Stillen dachte sich Bernd: „Fehlt nur noch, dass heute einer mit diesem ‚Feelgood Management‘ anfängt, dann krieg ich aber wirklich die Krise!“ Er setzte sich ein Lächeln auf, betrat den Seminarraum und eröffnete die Strategietagung.

Ja, lieber Bernd, es tummeln sich da draußen tatsächlich jede Menge Berater-Trainer-Coaches, die der Welt die wunderbaren Segnungen des Feelgood Managements (FGM) nahe bringen und am Besten verkaufen wollen. Und das, obwohl FGM – um es hier gleich zu Anfang mal ganz deutlich zu sagen – nur sehr oberflächlich betrachtet eine gute Idee ist.

Bevor wir in die Thematik einsteigen, klären wir doch zuerst mal die Begriffe. Was ist denn eigentlich das so genannte FGM genau? Laut Wikipedia hat FGM im Unternehmen „die Aufgabe dafür zu sorgen, dass das Arbeiten in allen Bereichen nachhaltig verbessert wird“. Ein FGM kümmert sich darum, die „Bedürfnisse aller Mitarbeitenden aufzufangen und eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern“ und sorgt damit für „beste Rahmenbedingungen.“

FGM haben vielfältige Aufgaben, für die sich sonst traditionell die Personalabteilung/-entwicklung verantwortlich zeigen würde. Oder die Assistentin der Geschäftsführung. (Wem hier leicht der Kamm schwillt, siehe unten: Punkt 5.) FGM sind (laut Wikipedia) Spezialisten für Unternehmenskultur, Ansprechpartner für die Mitarbeiter, Gesundheitsmanager, Konfliktberater und Kommunikationstrainer und damit eine „zentrale Schnittstelle“ zwischen Management und Mitarbeitern. FGM kümmern sich u.a. um interne Kommunikation, Teambuilding, Onboarding neuer Mitarbeiter und das Thema Gesundheit. Dabei planen sie Firmenevents und -ausflüge, kümmern sich um die gesunde Ernährung im Unternehmen und um andere Anliegen der Mitarbeiter. Im englischen Sprachraum werden FGM auch „Chief Happiness Officer“ oder „Chief Culture Officer“ genannt. Ein schöner Jobtitel, der sich auch ganz hervorragend auf Visitenkarten oder XING-Profilen macht. Man könnte meinen, dass „Happiness“ am Arbeitsplatz nicht nur ein Selbstzweck ist, sondern auch einen wichtigen Beitrag zu einer positiven Unternehmenskultur leistet. Darüber lohnt sich nachzudenken, was wir im Folgenden tun wollen.

Was genau ist nun das Problem mit FGM? Warum halten wir es für keine so richtig gute Idee? Hier ein paar provokante Thesen, die gerne Widerspruch erzeugen dürfen:

FGM ist Symptombehandlung

Vorweg: Natürlich kann man das alles machen. Wer ist schon gegen Gesundheit? Gegen gesunde Ernährung? Wer ist gegen Teambuilding? Oder gegen tolle Events und Feiern? Natürlich niemand. Das Problem ist nur, dass man davon keine nachhaltige Verbesserung von tatsächlichen Missständen erwarten sollte. FGM klebt nur Pflaster auf Symptome, ohne die dahinter liegenden Ursachen zu behandeln. Spötter würden behaupten, dass FGM nur erfunden wurde, um Probleme zu lösen, die es ohne Management nicht gäbe. Es sorgt in der Regel nur für kurzfristige Effekte, aber nach ein paar Tagen, Wochen, Monaten ist man wieder genau da, wo man vorher war.

FGM ist übergriffig und entmündigt

Warum braucht es einen FGM, um diese Dinge zu tun? Sind die Menschen in den Unternehmen nicht in der Lage, sich selbst um ihre Gesundheit, um gesunde Ernährung, einen guten Spirit im Team zu kümmern? Warum braucht es für diese Dinge eine neue Funktion, die immer auch Ausdruck von Arbeitsteilung ist: Der FGM kümmert sich um Gesundheit und gute Laune, während die anderen Kollegen arbeiten (= Wert schöpfen). Ist das der Sinn von Feelgood Management? Denn man könnte sich ja mal fragen: Warum macht die Arbeit keinen Spaß? Woher stammt die Unzufriedenheit? Solange ein Unternehmen diesen Fragen nicht ernsthaft und konsequent auf den Grund geht, hilft das teure Pflaster FGM herzlich wenig.

FGM ist ein Oxymoron

„Feeling good“ und klassisches Management ist in den meisten Unternehmen (vor allem denen, die glauben, sie bräuchten FGM) ein Widerspruch in sich. Wer mehr „gute Gefühle“ will, sollte sich von hierarchischer Management-Steuerung verabschieden und auf Selbstorganisation und Führungsarbeit umstellen. In der Regel bringt genau das die Art von Lebendigkeit und Freiheit (gepaart mit Verantwortung), die Menschen sich wünschen, um sich bei der Arbeit gut zu fühlen.

Kulturarbeit kann man nicht delegieren

Unternehmenskultur ist komplex. Sie entsteht im Zusammenwirken vieler Beteiligter im „Sozialsystem Unternehmen“, über viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Kultur entsteht – und dann ist sie da. So wie sie ist. Da ist niemand alleine dran Schuld. Oder alle, wenn man es anders ausdrücken will. Und deswegen sind „Verantwortliche“ oder „Spezialisten“ für Kultur im Sinne einer organisationalen Verantwortlichkeit ein Denkfehler. Eine Funktion „alleine“ dafür verantwortlich zu machen, entlastet genau diejenigen, die die Kultur mit-prägen.

FGM ist Frauensache (und das ist nicht gut so!)

Gibt es männliche Feelgood-Manager? Wir kennen keine. Woran liegt das? Genauso wie an Grundschulen fast nur weibliche Lehrerinnen arbeiten, genauso wie man sagt, im Personalbereich arbeiten „nur Frauen“ (ja, natürlich ist das ein Stereotyp), genauso scheint auch FGM ein Job ausschließlich für Frauen zu sein. Was sagt das über dieses Berufsbild aus? Oder über Frauen und ihre Betätigungsfelder? Wie geht das zusammen? Oder eben nicht? Stimmt das überhaupt? Diese Fragen stellen wir ganz ernsthaft zur Diskussion und würden dazu sehr gerne eure Meinungen hören.

Eine richtig gute Gelegenheit dazu ist unser Meetup ORGANEO Antipattern Night, welches in regelmäßigen Abständen die Gelegenheit gibt, Themen wie Feelgood Management u.v.a. weiter gemeinsam zu diskutieren. Zum Beispiel am 23. November bei uns im Mindspace.

Dazu laden wir dich sehr herzlich ein und freuen uns auf gute und kontroverse Gespräche!

Viele Grüße von ORGANEO

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